Dienstag, 14. November 2006

Kerres, Seite 159-171

Kapitel 3b


Repräsentation von Wissen im Gedächtnis

Die Formulierung der Lehrziele ist doch an Merkmalen des Lehrgegenstandes fest zu machen, die gewünschten Lernprozesse lassen sich nur selten oder intuitiv ableiten.
Es wird kein Modell über die Architektur des menschlichen Wissens geben, sondern eine Vielzahl von Modellvorstellungen, welche konkurrieren.

Architektur des Gedächtnisses

Wie uns allen bereits bekannt unterscheidet man seit den 70iger Jahren in Ultrakurzeit, Kurzzeit und Langzeitgedächtnis, dies wurde relativiert und man unterscheidet generell in Arbeits- und Langzeitspeicher. In der jüngsten Diskussion (s. Engelkamp, 1991, S.49) erfolgt die Einteilung der Gedächtnissysteme nach der gespeicherten Information, bzw. nach den beteiligten Prozessen. OPWIS (1992) spricht in diesem Fall von einer Vielzahl von eher verwirrenden Vorschlägen. Die Art der Repräsentation könnte als Ordnungskriterium herangezogen werden, hier lassen sich drei Varianten darstellen:
1.Propositionale Repräsentationssysteme, (Proposition = den Kern einer Aussage) diese dienen hauptsächlich zur Darstellung der sprachlich-begrifflichen Wissens in Form einer symbolischen Struktur.
2.Regelbasierte Repräsentationssysteme, (= Produktionssysteme, erstmals von NEWELL & Simon ) meisstens für die Darstellung von Wenn-Dann-Regeln für operative Fähigkeiten. Die ACT-Theorie von ANDERSON zeigt ein solches System.
3.Analoge Repräsentationssysteme sind geeignet für die bildhaft-anschauliche Darstellung von Wissen, hier entsteht eine Kommunikation zwischen der Repräsentation und dem Repräsentierten.
Das Modell von ANDERSON (1983) wird häufig dazu herangezogen, wenn es um den Begriff der kognitiven Architektur geht, doch wird auch hier nur ein Ausschnitt von Wissensbeständen agiert, hier: sprachlich-symbolisch kodiertes Wissen,
Wissen, welches Begriffe und ihre Beziehungen untereinander beinhaltet und kognitive Operationen mit denen die Begriffe arbeiten.
Das ACT eine mehrfach modifizierte Form des wissenspsychologischen Modells von ANDERSON wird als Grundlage für folgende Aussagen verwendet:
es wird zwischen dem Typ bzw. dem Zustand des Wissens im Langzeitgedächtnis unterschieden in Deklaratives Wissen*,
(Kentnisse in propostional-symbolischer Kodierung über Fakten, Ereignisse, Objekte etc.) und prozedurales Wissen (Fertigkeiten als Operation zur Konstruktion, Verknüpfung und Anwendung deklarativer Wissensbestände)
Das deklarative Wissen wird nach ANDERSON (1995) durch Beobachtung oder externe Informationen unmittelbar abgespeichert und basiert auf Konzepten, welche durch ein Netz von Relationen verbunden sind, dies geschieht sprachlich-symbolisch und auch zeitlich wie räumlich.
Jedoch die Speicherung und der Abruf sind unabhängig, somit kann bei einer Speicherung nicht garantiert sein, dass der Abruf funktioniert.

Das prozeduralistische Wissen* besteht aus Wenn-Dann-Regeln, sie beziehen sich auf das Handlungswissen einer Person in der jeweiligen Situation.
Sie basieren auf dem deklarativen Wissen und sind meißt auf Ziele ausgerichtet und miteinander kominierbar, es erfolgt eine Beschreibung wann bestimmte Operationen auszuführen sind.
(*Zur Verwendung der Begrifflichkeiten, je nach Autor verschieden, somit Bitte genau auf den Textinhalt achten und die Aussage dessen*.)

Stadien des Wissenserwerbs

„Declarative knowledge can be acquired by simply being told“. (ANDERSON et al., 1995 S. 170f.) Der Aufbau von deklarativem Wissen scheint nach ANDERSON wenig schwierig, anderst jedoch der Aufbau kognitiver Fertigkeiten, wodurch das deklarative Wissen prozeduralisiert wird, diese Form der Wissenskompilierung ist didaktisch wichtig.

Als Vorlage des Wissenserwerbs kann man auf ein dreistufiges Modell von FITTS & POSNER zurückgreifen
1.kognitives Stadium (das Wissen ist nur deklarativ vorhanden, Aufbau von Wissen und Integration in ein Netz, keine konkrete Aufgabenlösung gut möglich)
2.assoziatives Stadium (das Wissen ist durch Übung und Anwendung prozedural vorhanden, es können domänenspezifische Regeln aufgebaut werden, die Entwicklung von Wenn-Dann-Regeln erfolgt bei Bedingungen, sobald der Wenn-Teil erfüllt ist wird auch der Dann-Teil automatisch aufgerufen und kann weiter ausgeführt werden.
3.autonomes Stadium, (das Wissen kann automatisch verwendet werden, durch langjähriges Anwenden des assoziativen Stadiums, wird das Wissen durch eine Vielzahl verästelter Regeln miteinander in Beziehung gesetzt und somit hat kann man dies als Wissen eines Experten bezeichnen, hierbei werden die Regeln vereinfacht und es ist möglich sich weiteren Wissensgebieten zu widmen.)

Wissenstypen im didaktischen Design <

es erfolgt eine Unterscheidung, wie in folgender Abbildung dargestellt ist.Wissenstypen-im-didaktischen-Design-Bild-Nr-1 (doc, 60 KB)

Das deklarative Wissen beinhaltet Fakten und Begriffe, überwiegend auf konkrete Einzelheiten, Ereignisse und Fälle.
Das prozedurale Wissen stellt mehr allgemeine metakognitive Strategien dar. Das kontextuelle Wissen dient der analogen Repräsentation Einzelnem bis einer kompletten Form der Repräsentation, bei denen die Verknüpfung des Gesamten zum Einzelnen dargestellt wird.

Wissenspsychologische Analysen Gegenstand der Analyse

Ursprünglich nahm man an, man müsste das Wissen der Experten untersuchen, um das deklarative und prozedurale Wissen medial zu vermitteln, da dies nicht vollständig Aufschluss darüber gibt, wie der Experte sein Wissen erworben hat bzw. wie eine Wissensbasis aufzubauen ist, so kann man sagen, das die Vorgänge der Wissenskompilierung nicht bewusst geschehen.

Darstellung von deklarativen Wissen für die didaktische Anwendung in Form von Konzepten,
so ist es möglich wesentliche Begriffe für den Sachverhalt zu erfassen und Relationen hierzu zu bestimmen,
der Aufwand für die konkrete Umsetzung auf die Analyse von Lerninhalten ist sehr mächtig, dieser beschränkt sich vor allem auf die Entwicklung von intelligenten tutoriellen Systemen und Ansätze des automatisieren Instruktionsdesigns.

Darstellung von prozedularen Wissen,
hierbei besteht der Unterschied zu deklarativem Wissen in der Organisation und nicht bei den Inhalten,
das prozedurale Wissen besteht nach der Kompilierung aus Produktionsregeln (Wenn-Dann-Regeln), welche eine kognitive Fertigkeit beschreiben.
Da auch dieses System einen hohen Aufwand zur Spezifikation dieser Regeln erfordert, so findet dies in der Praxis keine Anwendung.

Vorgehen für die Erhebung

Eine Möglichkeit bietet die projektbezogene Vorgehensweise, mit Hilfe einer Stichprobe werden künftige Lerner ausgewählt und genauesten untersucht, dies kann bei kognitiven Aufgabenanalysen leicht einen mächtigen Umfang annehmen, so dass der Einsatz in Entwicklungsprojekten nicht mehr angebracht ist; sofern ein Fachgebiet weniger axiomatisch ist, so können geringer Erkenntnisse abgeleitet werden und dienen kaum für ein spezifisches Projekt als allgemein gültig.
Diese Verfahren haben sich in der Praxis des didaktischen Designs nicht Bewahrheitet und haben somit keine Bedeutung.

Aufbereitung für das automatisierte Instruktionsdesign

Diese Verfahren dienen der unmittelbaren Implementierung der wissenspsychologisch aufbereiteten Lehrinhalte in das Medium, dies orientiert sich am objektorientierten Ansatz der Programmierung.
Objekte werden durch verschiedene Typen von Verknüpfungen in Beziehung zueinander gesetzt, (grundlegende Typen: ist ein – oder hat ein – Verknüpfung) dadurch erfolgt eine Über- bzw. Unterordnung und es ist möglich den Objekten Eigenschaften zuzuweisen, somit entsteht eine Hierarchie.

Probleme der wissenspsychologischen Analyse

Mithilfe solcher Analysen sollte es möglich sein, die Lernangebote genauer auf die kognitiven Lernprozesse anzupassen, doch bei mediengestütztem Lernen muss das Angebot präzise angepasst sein, dies erfordert eine aufwendige Planung und rechtfertigt nicht den Ersatz des herkömmlichen Unterrichts (in Form einer Lehrkraft).
SEEL sagt hierzu, der Aufwand rechtfertigt nicht den möglichen Nutzen, Seel, 1981, S.55).
Dennoch besteht weiterhin wissenschaftliches Interesse an der Thematik, nicht zuletzt deshalb weil die Automatisierung des didaktischen Designs im Vordergrund steht, hierzu ist die formalisierte Darstellung der Lehrinhalte zwingend notwendig.

Lernprozesse und kognitive Operationen

Wie das Wissen gelernt bzw. welche Lernprozesse und Operationen des Lernens stattfinden, auch stattfinden müssen, um ein Leistungsniveau zu erreichen ist nicht geklärt.
In diesem Zusammenhang beschreibt GAGNÈ eine Hierarchie von acht, aufeinander aufbauenden Lernprozesstypen, hier müssen untergeordnete Typen (wie Signallernen, Reiz-Reaktionslernen) beherrscht werden und übergeordnete Typen (wie Begriffs- und Regellernen sowie Problemlösen) umsetzen zu können.
Bei seinem Modell der Lernhierarchie, wird erwähnt, das der Erfolg aller didaktischen Aktivitäten davon abhängt, ob bestimmte interne Verarbeitungsprozesse (= kognitive Operationen) stattfinden.

Im folgenden Bild Varianten-von-Internoptionen-Bild-Nr-2 (doc, 37 KB)ist ein Ansatz der diese Operationen berücksichtigt dargestellt, (von RIEDEL, 1979)
hierbei wird zwischen Extern- und Internoperationen unterschieden, mit zunehmender Schwierigkeit ist eine höhere Wertigkeit für das Lernen verknüpft, so dass Unterrichtssituationen gefordert werden, die verstärkt höherwertige Internoperationen anregen.
Es bleibt das Problem, wie bei konkreten Lerninhalten festgestellt werden kann, welche der Operationen zur Erreichung bestimmter Lehrziele denn tatsächlich notwendig sind, es fehlen Kriterien, welche Lernprozesse mit der Aneignung bestimmter Lerninhalte gewollt sind.
Dies ist auch bei dem Ansatz von VERMUNT & van RUSWUK (1988) nicht erklärt, sie beschreiben acht verschiedene kognitive Aktivitäten bei Lernprozessen
-Beziehungen knüpfen zwischen unterschiedlichen Teilen von Informationen, zwischen Teilen und Ganzen und neuen und alten Informationen
-Strukturieren von isolierten Teilen von Informationen in ein Ganzes und integrieren von neuen Informationen in bereits Bekanntes
-Zerlegen von größeren Einheiten von Informationen in Bestandteile, analysieren einzelner Schritte einer Problemlösung
-Konkretisieren von abstrakten Informationen mit Beispielen
-Persönliche Beziehung herstellen zu Informationen der Umwelt
-Memorieren von einzelnen Informationen etwa durch Wiederholen
-Hinterfragen von Informationen der Umwelt, eigene Schlussfolgerungen bilden
-Auswählen von wichtigen vs. unwichtigen Informationen
Es zeigt sich, dass das Medium zu Aktivität beim Lerner anregen muss, die in irgendeiner Weise interne Verarbeitungsprozesse in Gang setzt.

Kontextuelles Wissen im didaktischen Design, Erfassung kontextuellen Wissens

Es muss festgestellt werden, das konkret erlebte Situationen einen anderen Zugang zu Wissen ermöglichen, die sich nur gering oder schwer in Propositionen oder Produktionsregeln abbilden lassen.
Kontextuelles Wissen, ein weiterer Wissenstyp lt. TENNYSON & RASCH (1988) umfasst Problemlösestrategien für bestimmte Kontexte, (wie wann und wo welches Wissen anzuwenden ist) hingegen das deklarative und prozedurale Wissen den Umfang der individuellen Wissensbasis, doch wie dieses Wissen organisiert sein muss wird nicht wirklich beschrieben.
Dieser Ansatz bezieht sich auf nicht-verbal kodiertes, „analog“ repräsentiertes Wissen, dies zeichnet sich dadurch aus, dass Erlebtes möglichst unmittelbar abgespeichert wird, dies bezeichnet man als mentale Modelle, z. B. Abläufe einer Maschinen- oder Softwarebedienung, hierzu zählen auch Vorstellungsbilder wie kognitive Landkarten sozusagen, Wissen über den Aufbau von Städten auch die Verbindung zwischen zwei Orten, weiterhin kann man dem aber auch ganz konkrete bildhafte Erinnerungen an Ereignisse, Personen und Szenen mit Merkmalen wie Atmosphäre, Geruch zuordnen.
Diese Form des repräsentativen Wissens war lange Zeit Thema der Forschung, doch die Modelle mit verschiedenen Varianten zur Speicherung sind derzeit mehr im Aktionsumfeld der Wissenschaft.

Kontextuelles Wissen und Lernen

Beim Aufbau deklarativem und prozduralem Wissen erfolgt die Überlegung nach der Stellung der situativen Information, mithilfe von Multimedia lässt sich Kontextinformation in ein Lernmedium integrieren. Es handelt sich um Wissen über raum-zeitliche Zusammenhänge („Wo?“ und „Wann“?) von Ereignissen.
Der Aufbau kontextuellen Wissens wird durch Lernangebote unterstützt, die authentische Lernszenarien beinhalten, die Identifikation authentischer Lernszenarien ist gekennzeichnet von typischen Merkmalen der Anwendungssituation. Die Orientierung an authentischen Lernszenarien impliziert keine Fixierung auf die Situation, bei der auf den Aufbau abstrakter Wissensbestände verzichtet wird, es wird davon ausgegangen, dass dieses Wissen nicht im Gedächtnis abgelegt ist, sonder immer wieder in Situationen konstruiert wird.
Das Konzept der Authentizität sollte nicht überhöht werden, z. B. ist eine Tageszeitung ein authentisches Lernmaterial, jedoch nicht, wenn ein Schüler/in einen arrangierten Arbeitsauftrag zu erfüllen hat, welchen die Lehrkraft zuvor nicht überarbeitet hat.
Dem jeweiligen Lernziel entsprechend ist es möglich solche Lernmaterialien als sinnvolle Unterstützung einzusetzen.

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